Gedichte

Gedichte

Aus dem Gedichtband "Erdachtes-Erlebtes"

Im reiferen Alter begann Eleonore Lingnau-Kluge auch, sich in Worten, Versen und Gedichten auszudrücken. Damit schloss sich in ihren letzten Lebensjahrzehnten der schöpferische Kreis aus Musik, Malerei und Lyrik.

Herr Sperling, der Spatz

Der kleine Spatz sah sie - die Nachtigall
Auch ihr Gesang war ganz sein Fall.
Der kleine Spatz hat Glück gehabt;
Geschwätzig war er - sehr begabt;
Wollt' sogleich als Nachtigall er avancieren,
Ging schnell daran, ihr Triller-ABC zu studieren.
Übte einen Nachtigallen-Song mit Zungenschlag,
Ob sie die spätzische Kadenz wohl mag?

„Nur Verwirrung stiftest du hier an,
Du lieber, dummer Spatzenmann.
In unseren beiden Vogelkreisen
Wird man dich aus der Sippschaft weisen
Man will dich dann nicht mehr, mein lieber Spatz;
Allein so ein Leben ist doch für die Katz.
Bleib schön bei deiner Rasse,
Denn da bist du ganz einfach Klasse. Bleib bei deinem Spatzen-Piep,
Hab‘ einfach eine Spätzin lieb.“

Man sagt in seinen Kreisen
Er wollt' sich nur beweisen,
Dass er auch ,nachtigallisch‘ kann, Eitler, frecher Spatzenmann!
Man hörte noch lange im Chor der Spatzen
Von seinen Eskapaden schwatzen.

Abend am Meer

Die Sonne ergießt sich mit lohenden Bränden,
Als feuriger Ball in das dunkelnde Meer.
Sie rührt mit den Strahlen, gleich segnenden Händen
An Wolken - sie sind wie vom lichte noch schwer.

Das Licht löst sich auf in verglühenden Bändern,
Vom dunkelsten Rot bis zu silbernem Blau.
Die Wolken vergehen - mit fließenden Rändern,
Verschwimmen langsam in farblosem Grau.

Noch liegt auf dem Wasser ein schimmerndes Band,
Und tanzt dort und schwebt auf der spiegelnden Welle.
Es dehnt sich vom Himmel zu mir bis an's Land,
Und ziehet zurück den Blick in das Helle.

Doch bald auch erlischt der verspätete Schein,
Und Wasser und Wolken und Himmel verblassen.
Die Kühle der Nacht, das Dunkel bricht ein,
Und findet mich einsamer wieder, verlassen.........

Das Tiefste

Das Wasser bleibt in seiner Tiefe stets unbewegt.
Es ist, als ob es ruhig schliefe, durch nichts erregt.

Der Stein, der fallend Wellenkreise auf glatter Oberfläche schlägt,
Der sinkt hinab so schwebend, leise und lässt die Tiefe unbewegt.

Der Wind, der übers Wasser streicht, und der es, hebend mit der Flut,
Ausatmend wieder senkt, erreicht die Tiefe nicht, die schweigend ruht.

Der Sturm das weite Meer aufwühlt, dass Weil' auf Weil' sich bricht,
Und schäumend an das Ufer spült, doch er bewegt die Tiefe nicht.

Was du im tiefsten Innern bist, kann keine Flut erregen.
Bewahre diese Kraft - sie wird in dir zum Segen.